Im Gespräch mit der Industrie

Nachhaltigkeit im Bauwesen - Storck-Baugesellschaft

Welchen Einfluss können digitale Plattformen auf die Attraktivität der Baubranche als Arbeitgeber haben?

Nachhaltigkeit im Bauwesen - Storck-Baugesellschaft

Christoph Mueller ist Geschäftsführer bei der Storck-Baugesellschaft, die auf Bauen im Bestand spezialisiert ist. Er ist Diplom-Ingenieur von der RWTH Aachen und MBA, hat als Bauleiter bei Storck angefangen und ist über Niederlassungsleiter und kaufmännischer Leiter dann Geschäftsführer geworden. Die Storck-Baugesellschaft ist auf technisch und terminlich anspruchsvolle Bauvorhaben spezialisiert und hat häufig mit der Modernisierung oder Erweiterung bereits bestehender Bauobjekte zu tun. Herr Mueller berichtet über die Dringlichkeit von mehr Nachhaltigkeit im Baugewerbe - ökologisch und sozial.   

Nachhaltigkeit im Bau heutzutage 

Wenn es um die Digitalisierung der Baubranche geht, ist ein großer Treiber die Effizienzsteigerung, welche durch eine Verschlankung von Prozessen und damit einhergehender Kostenreduzierung entsteht. Da eines der größten Probleme unserer Zeit der Klimawandel ist, sollte auch der Aspekt der Nachhaltigkeit betrachtet werden, wenn es um zukünftige Lösungen geht. Christoph Mueller von der Storck-Baugesellschaft spricht mit uns über die Möglichkeiten und Herausforderungen der Baubranche im Hinblick auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit. 

Bereits in unserem E-Book wurde deutlich, dass die Baubranche einen großen Einfluss auf die Klimakrise hat. Rund 50 % des jährlichen Rohstoffaufkommens werden zum Bauen benötigt, fast 60 % des jährlichen Müllaufkommens entstehen durch den Abriss von Bauwerken. Außerdem produzieren bestehende Immobilien, besonders ältere, schlechter isolierte Gebäude, viel CO₂. Dadurch kommt dem Bauen im Bestand eine bedeutende Rolle zu: möglichst ressourcenschonend Gebäude so zu renovieren, sodass sie nachhaltiger werden. 

Durch die Politik veranlasst, werden vermehrt Daten über die Nachhaltigkeit von bestehenden und entstehenden Bauwerken erhoben. In den Augen von Christoph Mueller besteht aber noch viel Bedarf:

“Die ESG-Initiativen, die von der Politik vorgegeben werden, die so etwas erstmal messbar machen, das sind gute Anfänge. Meiner Meinung nach geht das noch nicht weit genug - das Thema Bauen im Bestand ist zum Beispiel noch völlig außen vor.”

Aktuell liegt der Fokus erstmal darauf, Werte über die Nachhaltigkeit vom Bauen messbar zu machen, um eine Vergleichsgrundlage zu schaffen. Dieser Ausgangspunkt kann dann dazu dienen, die verschiedenen Vorgaben der Politik umzusetzen. Die ESG-Faktoren wurden von der EU beschlossen, um den Zielen des Pariser Klimaabkommens ein Stück näherzukommen. ESG steht für Ecological (ökologisch), Social (sozial) und Governance (Unternehmensführung) und definiert konkrete Vorgaben, die private Investitionen vermehrt auf nachhaltige Tätigkeiten lenken sollen. Damit einher geht auch die Taxonomie-Verordnung, welche zum Ziel hat, das Bewusstsein von Anlegern für die Umweltauswirkungen von zum Beispiel Immobilienfonds zu stärken. 

Um solche Vorgaben einhalten zu können, müssen entsprechende Daten gesammelt, ausgewertet und verglichen werden. Ein Prozess, der durch Digitalisierung stark vereinfacht werden kann.

Anreize durch Sichtbarkeit

Die Zertifizierungen, die mit den politischen Vorgaben einhergehen, sorgen für ein steigendes Interesse in diese Immobilien zu investieren. Allerdings eher bei den größeren, öffentlichkeitswirksameren Projekten, sagt Christoph Mueller: 

“Es sind eher die High End-Gebäude, bei denen das passiert. Die lassen sich super vermarkten, da gibt es weltweit schon eine riesige Nachfrage nach nachhaltigen Projektentwicklungen. Aber die kleineren Projektentwickler und die Familienunternehmen, die nur ein paar Immobilien halten, die beschäftigen sich noch nicht so sehr damit. Schließlich geht es auch darum, eine Rendite zu bekommen.”


Der Druck hin zu mehr Nachhaltigkeit ist in größeren Städten höher, da ein größeres Augenmerk besteht. Derartige Gebäude kommen in sogenannte Nachhaltigkeitsfonds, wodurch sie besser zu vermarkten sind und eine erhöhte Aufmerksamkeit erregen. Große Investoren sehen dies bereits als ein gutes Langzeitinvestment. Außerdem ist es relativ absehbar, dass sich die Taxonomie in den nächsten Jahren noch verschärft, wodurch das Thema noch wichtiger werden wird.

Ressourcenschonung durch Revitalisierung

Um Rohstoffe zu sparen und Müll zu reduzieren, kann man, anstatt neu zu bauen, bestehende Gebäude revitalisieren. Dass alte Bauwerke nicht immer gleich abgerissen werden sollten, hat mit Ressourcenschonung und mit Kultur zu tun, findet Christoph Mueller:

“Man sollte überlegen, was ist sinnvoll neu zu bauen? Wenn man das KaDeWe in Berlin oder das Dreischeibenhaus in Düsseldorf als Beispiel nimmt, das sind fantastische Gebäude. Da muss man sich mal vorstellen, was an Kultur verloren ginge, wenn so etwas abgerissen würde, das wäre dramatisch.”

Denn auch das Bauen im Bestand kann Gebäude nachhaltiger werden lassen, ohne zu sehr in die Gebäudestruktur eingreifen zu müssen. Durch das Einbauen von isolierenden Fassaden und moderner Klimatechnik kann während der Betreibung der Energieverbrauch gering gehalten werden. Zudem lässt sich ein digitaler Zwilling erstellen, um zukünftig einfacher auf Informationen zugreifen zu können. Gleichzeitig ist ein Abriss des Gebäudes nicht unbedingt weniger aufwendig, wenn sortenrein getrennt und Schadstoffe herausgefiltert werden müssen. Ein Vorteil ist natürlich die erhöhte Flexibilität, wenn man von Grund auf ein neues Objekt entstehen lässt. 

Erhöhte Attraktivität am Arbeitsmarkt durch Technologie 

Die Klimakrise ist nicht die einzige Herausforderung, vor der die Baubranche steht. Auch soziale Nachhaltigkeit wird immer wichtiger, der Fachkräftemangel übt zusätzlichen Druck auf die Unternehmen aus. Durch die Digitalisierung können Ressourcen gespart werden, da Prozesse vereinfacht werden. Außerdem wird die Branche für nachkommende Generationen interessanter, da Technologie besonders im Leben der Jüngeren eine große Rolle spielt. Angestellte heutzutage haben zunehmend den Anspruch, dass ihre Arbeit auch Spaß macht. Das Arbeiten im Team mit gemeinsamer Verantwortung für ein Projekt schafft Anreize, gute Arbeit zu leisten. Dazu Christoph Mueller:

“Wenn man gemeinsam mit Nachunternehmern eine Plattform nutzt, vereinfacht das die Prozesse enorm. Das ist für Mitarbeitende auch sehr wichtig, man will nicht in einer so zurückgebliebenen Branche arbeiten. Man will ja sehen, dass es eine Entwicklung gibt und dann macht es den Leuten auch einfach viel mehr Spaß.”

Natürlich ist es in der Bauindustrie nicht immer möglich allen Angestellten dieselbe Flexibilität zu bieten wie in anderen Branchen. Besonders durch die Pandemie haben viele das Homeoffice schätzen gelernt. So etwas lässt sich bei Bauprojekten nicht für alle Stellen in gleicher Weise einrichten. Daher sollten Bauunternehmen auf andere Weise die Attraktivität der Arbeitsplätze steigern. Auch das gemeinschaftliche Arbeiten an Projekten, was unter anderem durch Plattformen vereinfacht werden kann, erhöht den Spaßfaktor. Zudem kann die Arbeit auf den Baustellen selber durch den Einsatz von Robotern, Virtual Reality und anderen Tools zeitgemäßer gestaltet werden. 

 

Standardisierung bei Storck 

In unserem letzten Beitrag ging es unter anderem um die Standardisierung von Prozessen und wie dadurch die Digitalisierung erleichtert wird. Bei sich häufig wiederholenden Projektabläufen stellt sich schnell heraus, was standardisiert werden kann. 

KaDeWe Berlin

Bei Storck hingegen geht es häufig um einzigartige, komplizierte Bauvorhaben. Das KaDeWe wurde schon als Beispielprojekt für das Bauen im Bestand genannt. Weitere Projekte von Storck waren das Dreischeibenhaus in Düsseldorf, welches mit Rücksicht auf die teilweise denkmalgeschützte Fassade mitten in der Innenstadt saniert wurde, oder der Einbau eines runden Fahrtreppenauges in einem Departmentstore in Berlin während des laufenden Geschäftsbetriebs. Diese verschiedenartigen Projekte lassen im Bauablauf nicht allzu viel Routine entstehen. Das bringt Herausforderungen, aber auch Abwechslung mit sich, sagt Christoph Mueller: 

“Bei uns ist der Wandel tägliches Programm, das kennen unsere Mitarbeitenden von der Baustelle. Man muss sehr flexibel sein, die Planung kann sich kurzfristig ändern - da geht so etwas in die DNA über und diese Spannung finden unsere Mitarbeitenden alle sehr gut.”


Auch die Beschaffung von Daten der Gebäude vor solchen Projekten stellt immer mal wieder eine Herausforderung dar. Wenn heutzutage Bauwerke entstehen, wird in den meisten Fällen ein digitaler Zwilling erstellt. Das ist bei den meisten Sanierungsprojekten nicht der Fall, da vor dem Aufwand einer solchen Digitalisierung noch an vielen Stellen zurückgeschreckt wird. Dabei kann der Mehraufwand einer guten Planung am Ende eine entsprechende Kosten- und Terminsicherheit generieren. Dass dies auf lange Sicht ein sinnvolles Investment ist, weiß auch Christoph Mueller: 

“Diejenigen, die mehr in die Planung investieren, die sind im Projekt viel weiter vorne. Eine professionelle Planung, die erspart einem die eine oder andere Überraschung.”

Bei Storck wurde die Erfahrung gemacht, dass bei Bauvorhaben mit digitalem Zwilling die Planung von Anfang an erleichtert wird. So können böse Überraschungen, zum Beispiel falsche oder fehlende Durchbrüche, wie es vor ein paar Jahren schon mal vorkommen konnte, vermieden werden und Kollisionsplanungen vor Baubeginn durchgeführt werden. Die meisten Bauprojekte stehen unter Zeitdruck, gerade durch Investoren, da sollte jede Möglichkeit, Zeit zu sparen, willkommen sein. Christoph Mueller beschreibt es als einen Teufelskreis: 

“Man braucht eigentlich eine schnelle Entscheidung, hat aber noch keine Grundlage. Damit ein Projekt starten kann, muss die Finanzierung aufgestellt sein und dafür braucht man als Investor belastbare Angebote. Aber die kann man nur bekommen, wenn man eine vernünftige Planung hat.” 

Meistens werden diese Entscheidungen zu schnell getroffen, ohne die Basis einer ausgereiften Planung. Wenn es dann zu Terminverzögerungen kommt, stehen Gebäude länger leer und bleiben ungenutzt, was die Investoren um Einnahmen bringt. 

Der Mehrwert der Digitalisierung ist doch eigentlich offensichtlich, oder? 

“Ja klar, es hilft allen. Am Ende wäre es auch eine Möglichkeit, um sich auf der Investorenseite transparenter zu machen. Man kann nachhalten, wie sich Kosten entwickeln. Wenn man von Bauprojekten wie der Elbphilharmonie hört, wo es zu enormen Kostensteigerungen gekommen ist, da fragt man sich doch, warum wurde das nicht vorher über Modelle prognostiziert? Mit digitalen Modellen ließe sich da eine genauere Vorhersage erstellen, da muss man dann einfach ehrlicher mit sich selbst sein.”

Größere Unternehmen in der Branche haben den Mehrwert digitaler Lösungen durchaus schon erkannt. Ein Aufbruch sei zu spüren, bestätigt Christoph Mueller. Doch die meisten Baufirmen und Nachunternehmer sind kleine Betriebe, für die die Umstellung eine größere Schwierigkeit darstellt. Nicht nur, weil eventuell das Know-how fehlt, sondern auch, weil die Auftragslage nach wie vor so gut ist, dass sie nicht die Kapazität dafür haben. 

Daher ist es wichtig, gerade als Generalunternehmer seine Nachunternehmer mitzunehmen. Doch Christoph Mueller weiß, dass dabei viel Feingefühl nötig ist:

“Man weiß ja nicht, wer ist von den Nachunternehmern demgegenüber offen? Man will den Firmen ja nichts aufdrücken, wofür sie unter Umständen noch nicht bereit sind. Aber ich glaube, auch die kleinen Firmen merken, dass man auf Dauer an dem Thema Digitalisierung nicht mehr vorbeikommt.”

Damit sich Digitalisierung allerdings ganzheitlich und nachhaltig in der Branche durchsetzen kann, müssen alle mitmachen. Dass dies auf lange Sicht gut ist, davon ist Christoph Mueller überzeugt. 

Erwartungen an digitale Lösungen 

Es gibt bereits einige Startups und andere Initiativen, die mit ihren Produkten das Bauen im Bestand in Zukunft vereinfachen sollen. Mithilfe von Virtual Reality können digitale Objekte erstellt werden, die die Planung erleichtern und veranschaulichen. Momentan müssen Daten noch nachträglich digital erfasst werden, doch wenn Neubauten schon von Anfang an einen digitalen Zwilling haben, wird dies in Zukunft einfacher werden. Dort können digitale Lösungen schon unterstützen, wenn durch Videoaufnahmen bestehende Gebäude zu digitalen Objekten transformiert werden. Außerdem kann die Vorbereitung solcher Projekte abgekürzt werden, wenn sich mithilfe von digitalen Lösungen schneller ausmessen lässt, so Christoph Mueller: 

“Das ist natürlich das Thema der Investoren und Eigentümer. Dass es einfacher ist, ein Gebäude auszumessen und den Bestand zu überführen, bevor wir damit in Berührung kommen. Da vergeht oft viel Zeit, aber es wird immer einfacher und man sieht schon, dass da was passiert.” 

Doch Christoph Mueller sieht noch andere große Vorteile der Digitalisierung. Wie bereits thematisiert, spielt auch die soziale Nachhaltigkeit und Attraktivität der Jobs in der Bauindustrie eine große Rolle. Durch digitale Plattformen entstehen neue Projekträume, in denen teamübergreifend miteinander gearbeitet werden kann. Durch die Vernetzung der verschiedenen Projektbeteiligten kann eine ganz andere Dynamik entstehen, davon ist Christoph Mueller überzeugt.

“Man sollte digitale Plattformen dafür nutzen, Teams besser zusammenzuführen, Teambuilding zu betreiben und so auch mehr Spaß entstehen zu lassen. Denn das sind die Erwartungen der jüngeren Leute, dass die Arbeit Spaß macht.”

Erwartungen der nachkommenden Generationen zu erfüllen, ist angesichts des Fachkräftemangels sehr wichtig. Kollaboration ist dabei ein Aspekt, der im Zusammenhang des erwarteten Wandels in der Baubranche häufig genannt wird. Es sollte ein gesundes Mittel zwischen digital und analog gefunden werden, das zeigt, dass etwas passiert in der Branche. Plattformen, auf denen als Team zusammengearbeitet werden kann, lenken den Fokus auf den Projekterfolg als Gemeinschaftsprojekt. Dadurch entsteht ein gemeinschaftliches Verantwortungsgefühl und bei Abschluss von Projekten auch ein gemeinschaftliches Erfolgserlebnis. Wenn Vertrauen Einzug erhält, kommt es zu einer angenehmeren Arbeitsweise, da nicht nur durch Druck der Investoren oder Projektleitung gearbeitet wird. Stattdessen wird der Abschluss der Projekte als Teamarbeit angesehen. 

Veröffentlicht von

Berit Behler

9.11.2022

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