Herausforderung & Lösung

Die Digitalisierung der Bauindustrie im weltweiten Vergleich

Wie gehen die Länder der Welt die Digitalisierung der Bauindustrie an? Die Hürden sind oft dieselben, die Ansätze Unterscheiden sich stark.

Die Digitalisierung der Bauindustrie im weltweiten Vergleich - Was können wir von anderen Ländern lernen?

Asien, Amerika oder Europa? Nord oder Süd? Wer schneidet am besten in Sachen Entwicklung und Fortschritt ab? Industrie 4.0 ist ein Zukunftsgedanke, der auch für die Bauindustrie langsam Nnäher rückt. Wir haben uns den Grad der Digitalisierung in den Bauindustrien der Welt angeschaut und herausgefunden, was am besten funktioniert.

Die Bauindustrien verschiedener Länder verfolgen dabei unterschiedliche Ansätze, was auch dazu führt, dass deren Digitalisierungsgrad variiert. Während die Nordics (Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden einschließlich der autonomen Gebiete Färöer, Grönland und Åland) einen starken Fokus auf alles legen, was das Planen und Visualisieren des Bauens vereinfacht, wird in den wachstums-boomenden Ländern Asiens die gesamte Bandbreite der technologischen Möglichkeiten ausgeschöpft. Die USA haben im Vergleich zu uns in Deutschland früher mit der Digitalisierung und Einführung disruptiver Technologien gestartet. Lange galten die Start-ups aus dem Silicon Valley als Vorreiter für ConTech. Digitalisierung hat dabei auch immer mit den politischen Gegebenheiten rund um Förderungen und Regularien zu tun, doch gibt es abgesehen davon einige Ansätze, deren Umsetzung in anderen Ländern schon gewagt wurde. Die Einführung von Innovation bringt immer ein Stück Unsicherheit mit sich, da lohnt sich ein Blick in die Bauindustrien der Welt, um zu sehen, welche Digitalisierungstrends an anderer Stelle bereits erfolgreich in Umsetzung sind.

Nordics

Dänemark, Schweden und Norwegen gelten als die Digitalisierungsvorreiter Europas. Das gilt in vielen Belangen, eben auch für die Bauindustrie. In Dänemark wurde die Initiative Industrie 4.0 gestartet, welche die Einführung von 3D-Druckern, Drohnen, Robotern, KI, Big Data, Blockchain und Augmented Reality mit 24 lokalen Partnern beinhaltet. VR & AR war lange teuer und schwer zu nutzen, heute ist das nicht mehr so und bietet enorme Vorteile, die für alle zur Verfügung stehen. Die dänischen Experten kritisieren dabei jedoch, dass der Fokus zu stark auf Langzeitvorteilen liegt und dadurch bereits existierende Möglichkeiten übersehen werden. Damit ist gemeint, dass die Einführung vieler innovativer Ansätze zwar wichtig ist, die Möglichkeiten der Anwendung aber noch begrenzt. Während eine bereits eingeführte Technologie, BIM, noch nicht zum nationalen Standard wurde. Der Digitalisierungsexperte Thomas Graabæk, spricht in diesem Zusammenhang von der Einführung der Industrie 3.9, sozusagen als Zwischenziel auf dem Weg zur ganzheitlichen Digitalisierung.

(Quelle: https://nordicbim.net/article.php?article=build)

Open BIM - Offene Datei-Formate für mehr Konnektivität

Norwegen, das Land im hohen Norden Europas gilt als einer der BIM Nationen. Offene Dateiformate und die Open BIM Methodik wurden hier vom Staat enorm gefördert und führen zu nachhaltiger Digitalisierung mit kooperativer Zusammenarbeit. Trotzdem wird auch dort mit ähnlichen Hürden gekämpft. Denn auch die Bauindustrie Norwegens ist in Ihrer Firmenstruktur fragmentiert und besteht aus vielen kleineren Unternehmen. Diese sind bei der Implementierung von Technologien oft zögerlich, da dies als zu teuer befürchtet wird. Für die BIM-Methodik ist das aber nicht der Fall. Technologie ist zwar immer eine Investition, doch können BIM Tools je nach Firmen- und Projektgröße skaliert werden und durch Erfahrungswerte heute einen schnellen Return of Investment (ROI) garantieren.

Im Allgemeinen setzt man in Norwegen massiv auf die Vorteile von Visualisierung in Verbindung mit Daten und Planung. Die ‘Paperless Construction Site’ (zu Deutsch: Papierlose Baustelle) ist eines der Ziele für die nächsten Jahre. Gerade durch BIM wird es dem Generalunternehmer möglich den Fortschritt der Baustelle auch einfach mit dem Smartphone zu verfolgen.

"The introduction of the smartphone has affected the working lives of most of us to a very large extent. The construction site is no exception.“ Frode Saltkjelvik, Technischer Manager, Graphisoft Norway

“Die Einführung des Smartphones hat den Arbeitsalltag der meisten von uns in hohem Maße beeinflusst. Die Baustelle ist da keine Ausnahme.” Frode Saltkjelvik, Technischer Manager, Graphisoft Norway

(Quelle: https://nordicbim.net/article.php?article=digitalization)

Effizientere Prozesse, die die Umwelt schonen

Allgemein geht der Trend hin zu umweltschonenden Methoden, die durch staatliche Regularien zu verringertem CO2-Ausstoß, massiven Aufschwung bekommen haben. Denn nach Fertigstellung eines Bauvorhabens entfaltet sich ein weiteres großes Potenzial für Facility Management, insofern mit BIM geplant wurde. Smart Buildings und Sensor Technology, findet hier vermehrt Anwendung, da die Instandhaltung eines Gebäudes enorme Kosten verursacht und die Kosten können verringert werden könnte. Belüftung, Licht und Temperatur können problemlos kontrolliert und optimiert werden, das hilft sowohl der Umwelt als auch den Bewohnern. Nicht zu vergessen ist, dass die kostbaren und schwindenden Ressourcen so geschont werden.

Entscheidend, um dies in die Praxis umsetzen zu können, ist aber die gewählte Interaktionsmethoden. Offene Systemlandschaften und die Nutzung internationaler Standards (BuildingSMART), sind essenziell, bei der Frage Open vs. Closed BIM, in Norwegen wird hier immer Open BIM gewählt.

Die Digitalisierung der Bauindustrie in den Nordics
Digitalisierungsinitiativen für die Bauindustrie in den Nordics

Im großen und Ganzen setzt man in den Nordics also auf ‘Digital Construction’ und ‘Connected Construction’, keine Zettelwirtschaft mehr und ineinander übergehende Prozesse, die man klar verfolgen kann. Staatliche Regularien für Open BIM und Nachhaltigkeit mögen hier ausschlaggebend gewesen sein und auch wenn diese woanders Fehlen, gibt der nachweisbare Erfolg den Verfechtern offener Systemlandschaften recht. Die Länder des Nordens sind Vorreiter und zeigen auch im Real Estate durch virtuelle Open Houses, wie Digitalisierung Zeit und Geld sparen kann. Man setzt auf mehr Effizienz, vereinfachte Transaktionen und digitale Abwicklung für mehr Projekterfolg in den Phasen des Bauens und weit darüber hinaus.

Asien – Pazifik

Zahlreiche Länder in der ASEAN Region haben einen extrem wachstumsstarken Markt, der auch die Bauwirtschaft mit einem jährlichen Wachstum von 3 % beflügelt hat. Trotzdem haben viele Länder mit denselben Problematiken zu kämpfen wie auch wir, hierzulande – die im Baugewerbe vorherrschende Kultur. Einer Umfrage zur Folge sieht die ältere Generation keinen Zusammenhang zwischen Kundengewinnung und Digitalisierung und fragt sich dann, wieso sollen wir igitalisieren, es läuft doch eigentlich ganz gut?

Das enorme wirtschaftliche Wachstum erfordert aber auch eine zügige Fertigstellung von Bauprojekten. Die Nachfrage für neue Bürogebäude, Wohnraum und mehr ist extrem hoch und kann kaum bewältigt werden. Doch auch der südostasiatischen Bauindustrie steht ein Generationswechsel bevor, der ein erhöhtes Interesse für innovative Technologien und deren Umsetzung bringt. Die Politik ist auf den Mangel an Digitalisierung und extremen Bedarf an mehr Projekterfolg aufmerksam geworden und zieht dies zu ändern in Ihre Verantwortung. Vorschriften und Regularien zu der Nutzung von innovativen Technologien wurden flächendeckend eingeführt.

(Quelle: https://www.globalconstructionreview.com/innovation/singapore-push-industry-consolidation-requirement-/https://www.lek.com/insights/ei/southeast-asia-building-construction-digital-transformation)

Kooperation des Öffentlichen und Privaten Sektors

In Singapur hat man dafür die Zusammenarbeit des privaten und öffentlichen Sektors zur Einführung von Innovation bindend gemacht. Die Regierung hat sich die Transformation der Bauindustrie, hin zu mehr Effizienz und Sicherheit als Ziel gesetzt. 2020 wurden dafür KI, VR; 3D Technologien und digitale Plattformen zur Überwachung von Geschehnissen und Erhöhung von Sicherheit, auf den Baustellen eingeführt. Auch Drohnen werden in diesem Zusammenhang eingesetzt. Dieses Jahr folgte dann die nächste Initiative, für mehr Konnektivität und ganzheitliche Digitalisierung. Um die Produktivität in der fragmentierten Bauindustrie zu steigern, fordert die Regierung, dass sich Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette in „Allianzen“ zusammenschließen und gemeinsame Geschäftspläne mit einer Laufzeit von mindestens drei Jahren aufstellen. Diese sollen zeigen, wie diese Allianzen ihre Produktivität mit Offsite-Fertigung und Digitalisierung steigern.

Dass die neuen Technologien die Anforderungen an Fachkräfte verändern werden, ist dabei klar. So schafft man in den boomenden Märkten Asiens auch vermehrt neue Positionen, wie "Digital Delivery Manager" or "Buildings Digital Lead", die sich gezielter mit neuen Technologien befassen und auch vermehrt die jüngeren Generationen in die Baubranche ziehen.

Roboter die den Arbeitsalltag erleichtern

Durch die Corona-Pandemie und damit verbundene Abstandsregelungen hat auch die japanische Bauindustrie neuen Aufschwung in Sachen Digitalisierung bekommen. BIM ist bereits Standard und es wird kontinuierlich an Effizienzsteigerung gearbeitet. Besonders Robotik, werden im Land der aufgehenden Sonne gefördert. Dabei gibt es zwei Ansätze:

Zum einen, gibt es die durch Exoskeletts zu Menschen ergänzenden Roboter, die etwa beim Heben und Tragen unterstützen und dort entlasten, wo es nötig und hilfreich ist. Zum anderen vom Menschen gesteuerte oder programmierte Roboter, die selbständig agieren. Wenn auch noch nicht flächendeckend einsetzbar, kann man sich das in Umsetzung so vorstellen:

  • Spray Robots, zum Streichen und lackieren
  • Robo-Carriers, als Lieferanten oder etwa beim Gerüsten unterstützen
  • Robo-Schweißer
  • Robo-Buddy, der Fliesen verlegt
  • Robo-Bauarbeiter, denn man von zu Hause aus steuern kann

(Quelle: https://www.shimz.co.jp/en/company/about/sit/facility/facility14/)

Die Digitalisierung der Bauindustrie in Asien
Digitalisierungsinitiativen für die Bauindustrie in der Asien-Pazifik Region

Die Vereinigten Staaten von Amerika

Im Vergleich zu Deutschland sind die US-amerikanischen Firmen in einigen Bereichen bereits digitaler, in anderen wiederum nicht. Dazu haben wir eine Umfrage durchgeführt mit folgenden Ergebnissen. 29 % gaben an, eine Strategie zur Digitalisierung Ihres Unternehmens zu verfolgen, während es in Deutschland nur 19 % waren. Bei der Implementierung von BIM, Lean Construction Management und CRM Systemen ist man etwa gleich auf, während man in Deutschland vermehrt Wert auf das Digitalisieren von administrativen Prozessen legt. So gaben 67 % der deutschen Firmen an dies, als Digitalisierungsprojekt zu verfolgen, in den USA waren es nur 43 %. Auch legt man in Deutschland ein besonderes Augenmerk auf das Verknüpfen von Schnittstellen. Über 60 % der Firmen gaben an, aktiv Schnittstellen in Ihrem Unternehmen zu schaffen, in den USA verfolgen etwa nur 33 % diesen Ansatz aktuell.

Vergleich der Digitalisierung der Bauindustrie USA und Deutschland
Digitalisierungstrend in den USA und Deutschland

Mehr Zahlen und Fakten Rund um die Digitalisierung der Bauindustrie finden Sie hier.

An mehr Projekterfolg ist man auch in den USA interessiert, denn die amerikanische Bauindustrie hat mit Hürden wie massivem Baustau und mangelndem Wohnraum zu kämpfen. Bis vor wenigen Jahren war die Bauindustrie auch hier kaum digital. Smarte Investoren haben die Marktlücke und den Boom der PropTechs oder wie Sie in den USA meist genannt werden RealTechs (Real Estate Technology) erkannt. Damit hatte die USA einen Vorsprung im Vergleich zu den anderen Ländern, was darin resultierte, dass die großen Player der Industrie heute oft amerikanische Firmen sind. Während die meisten in Deutschland gegründeten ConTechs noch Start-ups oder Scale-Ups sind, sind viele in den USA bereits große Organisationen, die in andere Märkte vorstoßen.

Gebaut wird dennoch immer lokal, was den nationalen Anbietern trotz Entwicklungsrückstand, auch Vorteile bietet. Zudem setzt man in den USA oft auf geschlossene Systemlandschaften, welche der Konnektivität entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Weg steht. Im internationalen Vergleich, haben besonders die Länder, die kooperatives Zusammenarbeiten der Bau Akteure fördern einen höheren Digitalisierungsgrad. Oft wird in diesem Zusammenhang erwähnt, dass kein Anbieter die gesamte Wertschöpfungskette des Baus abdecken kann und kooperative Zusammenarbeit deshalb notwendig ist. Das amerikanische Start-up Katerra, hat genau das trotzdem versucht und eine All-in-one-Lösung auf den Markt gebracht, die alle Bauphasen abdecken sollte. Durch Technologie, Lean Management und Massenproduktion, sollten so vergleichbar günstige Gebäude entstehen, die schnell und für den Kunden problemlos errichtet werden. Von der Planung eines neuen Gebäudes bis hin zur Errichtung und Fertigstellung. BIM-Tools und CAD verbinden, mit Architektur, Materialauswahl und -beschaffung, alles mit nur einem Projektpartner war das Ziel, doch nach 6 Jahren war nun Schluss. Katerra konnte im Markt nicht den erhofften Anklang finden. Die Bauindustrie ist in vielerlei Hinsicht fragmentiert und besteht aus meist kleinen Unternehmen. An keinem Projekt ist nur ein einziger beteiligt und Zusammenarbeiten ist eine Gegebenheit, Digitalisierung versucht diese kooperativer zu machen.

Was können wir von den Bauindustrien der Welt lernen?

Trotz der vielen Unterschiede in Kultur, Wirtschaft und Art des Bauens weltweit, scheinen die Problematiken des Baus und Hürden zur Digitalisierung dieselben zu sein. Die Kultur der Bauindustrie ist sehr traditionell. Eigentlich geht es ihr recht gut, weshalb also Digitalisieren? Die Bauindustrie überaltert, in den Städten wird mehr Wohn- und Arbeitsraum benötigt und ein massiver Baustau hat sich über die letzten Jahrzehnte entwickelt. Hinzu kommt die Fragmentierung und der Nachwuchsmangel. Die gute Nachricht ist, dass es Möglichkeit gibt, die den Bau effizienter machen, Prozesse durch disruptive Technologien optimieren und automatisieren und diese funktionieren auch.

In vielen Ländern findet die Einführung dieser durch staatliche Maßnahmen statt, in Deutschland ist man damit eher zögerlich. Dies sollte aber der Digitalisierung der Bauindustrie Deutschland nicht im Wege stehen, denn die Vorteile bleiben auch ohne staatliches Mitwirken. Was man in Deutschland von anderen Ländern lernen kann, ist im Allgemeinen die Wichtigkeit der kooperativen Zusammenarbeit. Open-BIM als Standard in Norwegen, digitalisierungsbringende Partnerschaften in Singapur und der Fokus auf die Einführung von Technologien, die heute schon problemlos funktionieren – Punkte an denen wir uns auch hierzulande orientieren können. Der internationale Vergleich zeigt, die Einführung von Technologie bringt meist die versprochenen Vorteile, das kann auch national die damit verbundenen Unsicherheiten nehmen. Digitale Tools und Software bringen enorme Potenziale mit sich, nun gilt es diese auch in der Bauindustrie Deutschlands zu nutzen.

Veröffentlicht von

Franziska Schmudezki

30.11.2021

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